Die Köchin, Foodstylistin und Rezeptautorin Gabriele Halper hat gemeinsam mit der Journalistin Elisabeith Ruckser und der begnadeten Fotografin Luzia Ellert das vorliegende Buch über die Kartoffel auf den Weg gebracht.
Ich bin ein Fan der Fotografin Luzia Ellert, weil sie wie kaum eine andere in der Lage ist, Speisen zu fotografieren. Sie schafft es immer wieder das Augenmerk auf das Wesentliche bei einem Gericht zu lenken und man weiß nach dem Studium ihrer Bilder, welche Zutat die eigentliche Raffinesse der Speise ausmacht. Um ein Beispiel aus dem Buch zu geben: Auf Seite 190 ist die Vorspeise "Ricotta-Kartoffel-Terrine mit gepfefferter Buttermilch" abgebildet. Ich ahne wie samtweich diese Terrine sich auf der Zunge mit dem klein gehackten Schnittlauch vermählen wird und weiß, dass nur die blanchierte Zucchini ein wenig gekaut werden braucht, um ihren letzten Kick durch die dazu gereichte Buttermilch zu erhalten. Am Ende wird ein erfrischend säuerlich-pfeffriges Aroma im Gedächtnis bleiben. Eine gelungene Vorspeise an einem heißen Sommerabend, nicht bloß von ihrer appetitanregenden Farbgestaltung her. Wer einmal begriffen hat, dass das Auge immer mit isst, wird sich immer auch um die optische Gestaltung einer Speise bemühen.
Das Buch enthält 124 Rezepte, in denen der Kartoffel gehuldigt wird. Bedenkt man, wie viele Menschen durch sie in vergangenen Zeit nicht des Hungers sterben mussten, kann ihr nicht genug gehuldigt werden.
Vor den Rezepten allerdings erfährt man warenkundlich Wissenswertes. So liest man gleich zu Beginn, dass es die Kartoffel schon etwa 13000 Jahre hier auf Erden gibt und sie bereits 8000 v. Chr. in den Anden als Kulturpflanze angebaut wurde. Man erfährt in der Folge, dass die Kartoffel bei den Inkas ein Fruchtbarkeitssymbol war. Die Inkas nutzen Kartoffeln als Medizin bei Verletzungen und waren überzeugt, dass ihr Genuss Geburtsschmerzen erleichtere, (vgl.: S.10). Dass man bereits vor 10 000 Jahren gefriergetrocknete Kartoffeln in den Anden herstellte, ist kaum zu glauben aber dennoch wahr. Wie auch immer, im 16. Jahrhundert endlich gelangte die Kartoffel nach Europa, wo man trotz des Interesses der Botaniker und Wissenschaftler dem neuen Gewächs sehr skeptisch gegenüber stand, bis man sie erfolgreich zur Bekämpfung der Hungers der Bevölkerung einsetzte.
Dass auf unserer Erde derzeit 300 Millionen Kartoffeln jährlich geerntet werden, zeigt dass dieses Lebensmittel nie an Bedeutung verloren hat und eindeutig zu den Grundnahrungsmitteln der Menschheit zählt. Das internationale Kartoffelzentrum in Peru verfügt über die größte genetische Kartoffelbank, die rund 4000 Sorten umfasst, (vgl.: S.16).
Kartoffeln sind reich an komplexen Kohlenhydraten, hochwertigen Eiweiß, Ballaststoffen, Vitaminen, besonders Vitamin C als auch Mineralstoffen und sind relativ kalorienarm (100 Gramm enthalten 70 Kalorien), (vgl.:S. 19).
"Ricotta-Kartoffel-Terrine mit gepfefferter Buttermilch", Foto: Luzia Ellert |
Man erfährt, dass man über festkochende, vorwiegend festkochende und mehlige Sorten unterscheidet und die Kocheigenschaften der einzelnen Sorten variieren. Nicht uninteressant sind die Tipps für den Anbau im eigenen Garten bzw. auf dem Balkon. Wessen Ernteergebnisse groß ausfallen, muss nicht zwingend an seiner Intelligenz zweifeln.:-))
Die Rezepte sind untergliedert in:
Aus dem Topf
Aus der Pfanne
Aus dem Ofen
Saures
Süßes
Die Rezepte sind super erklärt und Schritt für Schritt bestens nachzuvollziehen, selbst für Anfänger. Die Zubereitungszeit wird immer genannt.
Sehr gut gefällt mir das Rezept für "Minikartoffeln mit dreierlei Saucen". Die "Chili-Zwiebeln" erinnern daran, dass die Kartoffel aus Südamerika kommt. Sie passen vortrefflich zu den kleinen Kartoffeln in dieser Speise. Ein sehr gutes Rezept finden Kartoffelsuppenliebhaber auf Seite 49. Die "Kartoffelsamtsuppe mit gespeckten Steinpilzen" ist deshalb so samtig, weil weder mit Butter, Sahne, noch Creme fraiche gespart wird. Jede, der schon einmal frische, in Butter gebratene Steinpilze gegessen hat, wird erahnen können, wie genussvoll das Süppchen ist, in dem noch viele andere Zutaten für ein atemberaubendes Geschmacksergebnis sorgen.
"Zuckerschotensalat mit Safrankaroffeln" Foto: Luzia Ellert |
Wer selbst an heißen Tagen nicht auf selbstgemachte Pommes verzichten möchte, sollte das "Ketchupeis" zubereiten. Hierbei handelt es sich um eine kreative Variante zum herkömmlichen Ketchup, in den man die Kartoffelstäbchen tunkt. Sehr gut ist das Rezept für "Pochierten Gewürzkarpfen mit Karoffelnkren". Der Kartoffelkren passt auch zu "Forelle Blau" und " Karpfen blau". Lecker auch sind die "Olivengnocci mit Serrano, Petersilie und Parmesan", bei denen Vegetarier auch auf ihre Kosten kommen, wenn sie auf den Serrano weglassen.
Besonders lobend erwähnen möchte ich das Rezept für Kartoffelpuffer, das seitens Halper mit einer Mango-Senf-Creme und einer Avocadocreme gereicht wird. Ich bringe zu Kartoffelpuffern in der Regel nur einen frischen Gurkensalat mit viel Dill auf den Tisch, aber das ist Geschmackssache.
Erwähnen möchte ich den "Gebratenen Saibling auf lauwarmem Kartoffelragout in Zitronenfond" und auch den "Gebratenen Waller mit Pastisfenchel und Kartoffel-Knoblauch-Püree". Das Püree enthält neben Milch auch Olivenöl und feinen Zitronenabrieb, der ihm ähnlich wie die Knoblauchzehen einen mediterranen Touch verleihen.
Ein gelungenes Rezept auch ist das "Pilzgröstl mit Kartoffel-Mascarponestampf". Die Thymianblättchen passen gut zu den Pilzen aber auch zum Aroma des cremigen Stampfes.
Gelungen und zwar nicht nur optisch ist auch der "Kartoffelpudding mit Granatapfel- Piment-Birne". In diesem Gericht verbinden sich die Kontinente auf raffinierte Weise.
Für Fleischesser gibt es eine Vielzahl von Gerichten, die ihnen gefallen werden. Darunter einen "Schweinbraten mit Pflaumensauce und Kartoffelgratin", ein Rezept, das nicht uninteressant gestaltet ist. Das Kartoffelgratin passt gut zu Fisch.
"Kartoffelpudding mit Granatapfel-Piment- Birnen", Foto: Luzia Ellert |
Es ist unmöglich im Rahmen der Rezension auf alle Rezepte einzugehen. Nicht unerwähnt lassen möchte ich allerdings den "Zuckerschotensalat mit Safrankartoffeln", eine gelungene vegetarische Hauptspeise und die vielen Kartoffelsalatvariationen, bei denen mir der "Grüne Kartoffelsalat mit Limettenaroma" am besten gefallen hat, weil er wunderbar mediterrane Noten enthält und durch die Minze schön frisch schmeckt.
Von den Süßspeisen gefällt mir das Rezept für "Zwetschgenknödel in geschmolzenen Butterbröseln" sehr gut und keineswegs nur deshalb, weil das Gericht, zwar in abgewandelter Form zu meinen Lieblingsspeisen während meiner frühen Kindheit zählte.
Sehr lesenswert sind zum Schluss die Informationen zu Kartoffelsorten und Kocharten. "La Ratte" zählt bei Gourmets zu den Favoriten, während Linda noch immer als Königin der deutschen Kartoffeln gehandelt wird.
Ein gelungenes Buch mit delikaten Rezepten.
PS: Zu einem "Kartoffel-Radieschen-Salat mit Kapern" genügt ein Glas kühler Riesling. Fleisch und Fisch stört hier nur den Geschmack. Sättigend ist das kleine Tellergericht allemal.
Empfehlenswert.
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