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Rezension: Der Speisen Würze-Geschichten um die Esskultur und Tischsitten aus aller Welt- Edition Zeitblende

Dieses wunderbare Buch befasst sich mit ursprünglicher esskultureller Gestaltung und Szenarien wie sie in Erzählungen, Geschichten aber auch in literarischen Texten dokumentiert sind. Dabei werden Quellen aufgetan, die unbekannte und ungewöhnliche Aspekte von Ernährung und Tischsitten beinhalten. Gesucht werden diese primär in außereuropäischen Ländern und Kulturen. Weil man dort noch Ursprüngliches vermutet. Insgesamt geht es bei den Betrachtungen nicht um die Darstellung historischer Entwicklungen, sondern stattdessen um die Authentizität konkreter Situationen und Verhaltensweisen. Von daher auch folgt der Autor nicht selten abenteuerlichen Spuren von Reisenden und Forschern, die eine bestimmte Esskultur erlebt, beobachtet und geschildert haben. Dazu kommt als weitere wichtige Quelle die Innenansichten von Personen fremder Kultur, die Erfahrungen und ihre Wertungen kommunizieren. Das Buch zeigt, dass bislang brachliegendes Wissen über Ernährung und Essverhalten nicht selten von uralten Mythen und Legenden geprägt ist. 

Die Betrachtungen von Kochkunst und Tafelkultur finden in folgenden Ländern statt: Russland, Zentralasien, China, Indonesien, Japan und Korea, Afrika, Mexiko, Andenländer und Amazonien, Nordamerika, Ozeanien und in Ländern, die durch den Islam geprägt sind. 

Dezente Illustrationen zwischen den einzelnen Kapiteln inspirieren, sich stets auf Neues einzulassen.

Auf Seite 75 beginnt die Betrachtung kleiner Leckerbissen rund um die Uhr. Wo? In Indonesien und anderen Inselwelten. So liest man hier zunächst Wissenswertes über die "Javanische Reistafel", die mehr als zwanzig Zugaben enthält, die man am Tisch erst vermengt, bevor man sie verspeist. Etwas gewöhnungsbedürftig ist ein kulinarisches Verfahren auf Bali, von dem der Reiseschriftsteller Richard Katz berichtet. In manchen Dörfern dort diente in den 1930er Jahren noch ein Hund als Wurstmaschine. Man fütterte das Tier, nachdem es zwei Tage gehungert hatte mit Büffelfleisch und Milch, schlachtete es eine Stunde später und entnahm ihm den gefüllten Darm. Aus dem Rest des Hundes wurde wie gewohnt ein Braten oder Suppenfleisch zubereitet.

Einige Seiten später liest man Wissenswertes zur japanischen Teezeremonie, erfährt u.a. , dass jedes Gespräch im Teeraum fern von Alltagsdingen verläuft, man von Malern, Dichtern, Teemeistern und ihren Werken spricht, vom Geschmack und den Anschauungen verschiedener Zeiten und dem auserlesenen Teegerät. Um den Gastgeber zu erfreuen, lobt man den Geschmack des Tees, seine Stärke und seine Farbe und sorgt durch Gesprächsbeiträge für ein schönes Klima. 

Eine unglaubliche Fülle von Textbeiträgen zur Esskultur und zu Tischsitten in all den oben angeführten Ländern warten auf den Leser, der klug dran tut, sie häppchenweise zu "konsumieren", um möglichst lange Freude an diesem Buch zu haben.

An einem der Leseabende schließlich in Mexiko angekommen, erfährt man mehr über eine gute aztekische Köchin, liest über Tortillas und über Kakao, dem Getränk der Edlen von einst. Dieser war "fein gemahlen, glatt eingehend, kräftig geschlagen, rot, herb, mit Pfeffersaft versetzt, blumig, mit blüten des Großohrenbaums, des Götterohrenbaums, mit Vanille, mit dem Saft der Früchte der Mecaxochitl-Pflanze, mit Blütenhonig und Blütenwasser."

Dieses und anderes mehr liest man zu Mexiko, um sich dann in den Andenländern und in Amazonien mit sonderbaren Speisen wie etwa einer "Ameisenpastete" oder auch mit "Pisuslarven" zu befassen, die ein Brotaufstrich sind, der angeblich wohlschmeckend ist.

Lesenswert auch ist das Nachwort mit dem Titel "Esskultur im Zeichen der Globalisierung". Hier wird u.a. auf den Selbstversuch des Amerikaners Morgan Spurlock hingewiesen. Er verspeiste einen Monat lang Mc Donalds Mahlzeiten und nahm 15 kg zu. Sein Cholesterinwert war schlagartig in die Höhe geschnellt und erste Anzeichen einer Lebererkrankung erkennbar.

Fettleibigkeit ist heute weltweit präsentes Phänomen einer ökonomisierten "Modernisierung" der Esskultur, so der Autor. 10 Millionen Diabeteskranke allein in Deutschland sprechen eine warnende Sprache. 

Das Buch zeigt Vielfalt in der Esskultur und dokumentiert wertvolles Wissen, das mehr als nur nachdenklich stimmen sollte bei dem nächsten Big Mac oder alternativ der nächsten Pizza. Dann doch lieber Ameisenpastete.

Maximal empfehlenswert 

Helga König

Im Fachhandel  erhältlich

Onlinebestellung Edition Zeitblende oder Amazon
Der Speisen Würze: Geschichten um Esskultur und Tischsitten aus aller Welt

Rezension: NENI- TEL AVIV- Food.People.Stories- Haya Molcho & Söhne- Brandstätter

Die weitgereiste Haya Molcho ist in Tel Aviv geboren und lernte auf ihren Reisen die Küchen der Welt kennen. So entwickelte sie ihren individuellen, kulinarischen Stil, typisch israelisch und international zugleich. Gemeinsam mit ihren Söhnen eröffnete sie 2009 das erste NENI-Restaurant. Dabei ging ihr Erfolgsrezept, mediterrane und levantinische Esskultur in Europas Metropolen zu bringen, auf. Heute ist NENI eine innovative anerkannte Marke mit Kochschule und eigener Produktlinie, die Restaurants in Berlin, Hamburg, München, Köln, Zürich und Berlin betreibt. 

Für das vorliegende Buch hat Haya Molcho und ihr Team eine Entdeckungsreise durch Tel Aviv gemacht und das laute Treiben auf den Märkten dieser Stadt eingefangen. Streetfood ist dort allgegenwärtig und man ist überrascht, dass hier jemenitische, türkische und irakische Angebote nebeneinander existieren. 

Das reich bebilderte Buch ist in fünf Kapitel untergliedert, in denen mit Rezepten, Fotos von den Speisen als auch von der Stadt und Leuten dort aufgewartet wird. Dazu kommen noch bemerkenswerte Storys, die interessante Bewohner von Tel Aviv, die ihre Gaben leben, dem Leser nahe bringen und das dortige Lebensgefühl erspüren lassen. 

So liest man beispielsweise von einer urbanen Pflanzensammlerin, die im Alter von 29 Jahren ein Studium zur Modedesignerin begann und die sich intensiv mit Umweltschutz und Nachhaltigkeit beschäftigt, liest von Köchen, Köchinnen und anderen Menschen mit vielen guten Ideen, die diese erfolgreich umsetzen. 

Die Kapitel lauten: 
Gemüse, Getreide und Hülsenfrüchte 
Nenis Grundbaukasten 
Fisch 
Fleisch 
Süßes 

In diesen Kapiteln sind alle Texte und Bilder untergebracht. Die Rezepte sind  1 A, werden in einzelnen Schritten erläutert und weisen zumeist mediterrane Komponenten, nicht selten mit leicht orientalischen Gewürznoten auf. 

Neugierig vertieft man sich zunächst vielleicht in einzelne Rezepte, bevor man sich entscheidet, erste Versuche mit dem Kochbuch zu wagen. Man analysiert möglicherweise die Unterschiede zwischen einer spanischen und israelischen Meeresfrüchte-Paella und begeistert sich für "Krabben-Burekas", die – sieht man mal vom Koriander ab- fast der französischen Küche zugeordnet werden könnten. 

Beinahe italienisch mutet die "Rindertatar-Bruschetta" an. Auch hier bringt die Würze den Vorderen Orient mit Südeuropa zusammen. Das jemenitische "Rinderstew mit Lahoh" hingegen ist Orient pur. Geheimnisvolle Geschmackskomponenten machen hell wach. Was schmeckt man da?  Ein Gericht für weltoffene Gaumen. Eindeutig.

Interessant finde ich das Rezept für "Lamm mit Feigen und Trauben", interessant deshalb, weil es kaum Gewürze enthält. Irgendwie atypisch.

Die Süßspeisen sind allesamt orientalisch süß und begeistern ganz gewiss alle Süßmäuler, selbst in Nordschweden. 

Bei allem sind immer wieder die Storys bemerkenswert, so etwa jene über einen Gewürzhändler oder jene über die Sommeliers, die sogar noch einige Tipps geben im Hinblick auf ihre Lieblingsweingüter in Israel. 

Adressen und Websites von den vorgestellten Personen im Buch werden auch angegeben, sodass man sich weiter informieren und gegebenenfalls Kontakt aufnehmen kann.

Sehr empfehlenswert 
Helga König