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Rezension: 100 beste Köche (Gebundene Ausgabe)

Das vorliegende Buch stellt einhundert hervorragende Köche vor. Jeder dieser Meisterköche präsentiert ein Rezept, dessen perfekte Umsetzung allerdings mehr als nur Grundkenntnisse im Kochen voraussetzt. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt.
Der Autor des Buches August F. Winkler hat das Vorwort verfasst und dem Hauptteil des Buches eine 20 Seiten umfassende, kleine Kulturgeschichte des Essens vorangestellt.

Er erwähnt dort u. a. die karg gedeckte Tafel in Sparta, das von Petronius beschriebene Gastmahl des Trimalchio, welches das berühmteste Essen in der Weltliteratur darstellt und zugleich Vorbild aller Erlebnisgastronomie ist. Er schreibt von Zeiten, als man noch mit den Fingern speiste, auch von solchen, als man die Gabel ausschließlich zum Tranchieren benutze. Im Mittelalter war besagtes Tranchieren übrigens die wichtigste Disziplin der Tafelkunst.


Man liest von der allmählichen Änderung der Tischsitten und von der Tatsache, dass beim Frieden von Münster 1648 bei Tisch die heiligen Sieben bereits en vogue waren: Teller, Löffel, Messer, Gabel, Handtuch, Trinkglas und Zahnstocher.


Die pompösen Gastlichkeiten an den Höfen werden thematisiert, selbst das Spektakel am Hofe Philipps des Guten von Burgund findet Erwähnung, als die erste Oper während eines Festessens aufgeführt wurde. So liest man, dass zwei Dutzend Diener einen gewaltigen Teigberg in den Festsaal schoben. Nachdem Philipp mit seinem Schwert die Pastete aufgeschnitten hatte, kam aus der Krustenhaube ein komplettes Orchester hervor. Die opulenten Festmahle der Renaissance und des Barockzeitalters werden interessant gezeichnet, der Beginn des neuen kulinarischen Zeitalters findet Erwähnung und es fallen Namen wie Brillat-Savarin sowie Rumohr. Beide Personen waren reflektierende Feinschmecker, die das, was sie sich auf der Zunge genussvoll zergehen ließen, literarisch und gastrosophisch zu Papier brachten und damit ihre Leserschaft erfreuten.


Man erfährt Essentielles von der Hochblüte der französischen Küche, der Kochkunst zwischen Tradition und Moderne, schließlich von "Nouvelle" zu Molekular.


Dieser Abriss der Kulturgeschichte ist wirklich gelungen und ein guter Einstieg für das, was anschließend folgt.


Einhundert namhafte Köche aus dem Elsass, Italien, der Schweiz, Österreich und Deutschland werden portraitiert. Man erfährt jeweils Biographisches, aber auch gastrosophische Betrachtungen der einzelnen Meisterköche. Spannend werden die Restaurants, in denen die Küchenkünstler ihre Kreationen anbieten, beschrieben und Kontaktadressen genannt.


Den einzelnen Köchen werden zudem persönliche Fragen gestellt. So erfährt man u.a. welche Kochbücher der eine oder andere Meisterkoch bevorzugt, liest von deren Lieblingsgewürzen, ferner, wie sich die Befragten entspannen, welcher kulinarischen Versuchung sie nicht widerstehen können und vielem anderen mehr.


Der von mir besonders geschätzte Vincent Klink gibt u .a . preis, was er sammelt und weshalb er sammelt. "Alte Literatur und Kochbücher, denn kennt man sich mit altem Zeugs aus, versteht man besser die Gegenwart und Zukunft und wird vernünftig." (Da stimme ich Ihnen absolut zu, lieber Herr Klink!)


Wie eingangs bereits erwähnt, verrät jeder Koch ein Meister-Rezept.


Ich lese leidenschaftlich gerne Kochrezepte, besonders von sehr guten Köchen, um herauszufinden, wo die jeweils individuelle Note des einzelnen Kochs versteckt ist.


Die Rezepte sind sehr umfangreich und bedürfen bei der Umsetzung Geschick und Konzentration. Rezepte für Geflügel, Fisch, Fleisch, Meeresfrüchte, Vegetarisches und Desserts erwarten den geneigten Leser.


Besonders angetan bin ich von Marc Haeberlins, "Froschschenkel -Schäumchen", Michaela Peters "Kalbsbries mit Perigord-Trüffel geschmort" und Christoph Rüffers Kreation "Gebratene Jakobsmuscheln mit geschmolzener Gänseleber in Orangen-Ingwerbutter und Fenchelpüree". Natürlich sind alle anderen Rezepte ebenso göttlich.


Entzückt bin ich, dass Michael Husser aus Marlenheim im Elsass nicht vergessen wurde. Dort nämlich habe ich das beste Menü meines bisherigen Lebens genossen. Unvergesslich.


Wem bei der Rezeptur von Juan Amadors "Crema Catalana - Leger - mit Ananas & Vanille-Safran-Eis" nicht das Wasser im Munde zusammenläuft, hat seine Geschmacksnerven irgendwann verloren. Ihm gehört mein aufrichtiges Beileid.


Der Spanier kocht übrigens in Langen bei Darmstadt. Er zählt derzeit zu den brillantesten Küchenphilosophen, dessen Küche übrigens auf molekularen Techniken basiert. Ein wesentliches Prinzip dieser Technik ist die Denaturierung. Ein Produkt wird zerlegt und mit chemischen sowie physikalischen Techniken wie etwa Stickstoff bei 196 Grad neu, vor allem anders zusammengesetzt. Drinks werden als Gel serviert, Olivenöle als Bonbons und Hühnersuppen als Eislutscher geformt etc. Hochinteressant.


Ein sehr empfehlenswertes Buch.