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Rezension: Himmel und Erde- In der Küche eines Restaurantkritikers- Jürgen Dollase

Jürgen Dollase der Autor dieses nicht leicht verdaulichen Kochbuchs versteht sich nicht als Gastronomietester, sondern als Restaurantkritiker. Liest man sein Buch, wird schnell klar, dass es sich bei diesem Mann (Sternzeichen Jungfrau) um einem Intellektuellen handelt, mit dem Kirschenessen zum Wagnis werden könnte, wenn man ein auf Harmonie bedachter Mensch ist. Sein Geist ist auf Widerspruch gebürstet, um auf diese Weise harte Nüsse knacken zu können. 

Das Buch habe ich seit Monaten bereits im Bestand, habe immer wieder darin gelesen und das ein oder andere auch ausprobiert. Dollase versteht etwas vom Kochen, vielleicht gerade deshalb, weil er ein Intellektueller ist, dessen Analysefähigkeiten ihn dazu zwingen, das, womit er sich befasst, besonders intensiv zu durchleuchten, um Geheimnisse die lüften, die bislang kaum jemand auch nur im Ansatz erahnt hat. 

Gleich zu Beginn erläutert er die Bedeutung des Kochens für einen Restaurantkritiker und hat in diesem Zusammenhang einen Satz formuliert, der mir so gut gefällt, dass ich ihn zitieren möchte: "Ein Kritiker, der sich der Kochkunst verpflichtet fühlt, wird automatisch immer wieder sowohl den Blick auf das Ganze suchen wie auch das Detail reflektieren.“ Dieser Satz verrät viel über Jürgen Dollase und man weiß sofort, die Lektüre des Buches garantiert, dass  hier Wissen mit Erkenntnis belohnt wird.

Mir gefällt, wenn er schreibt, dass man die Leistungen von Köchen erst dann einschätzen und schätzen kann, wenn man selbst am Herd arbeitet. Das sehe ich auch so. 

Produktkenntnisse sind eine Grundbedingungen, um gut kochen zu können, auch ist es wichtig spezielle Zutaten zu kennen und mit ihnen subtil hantieren zu können, dazu kommt ein umfangreiches Wissen über Kochtechnikern und Produktkombinationen, die Lektüre vieler Kochbücher internationaler Spitzenköche, wenn man das Tal der Ahnungslosen verlassen und Schüler Dollases werden möchte. Doch dann muss man noch das Schmecken erlernen. 

Der Autor macht im Buch deutlich, wie differenziert man schmecken kann und was es diesbezüglich zu beachten gibt. Dabei sollte man wissen, dass das Hinschmecken und die Entwicklung eines guten Geschmacks nicht zuletzt die wichtigste Voraussetzung für gutes Kochen ist. 

Dollase unterrichtet in seinem Buch über die Grundlagen seiner Küche, zu denen nicht nur Produkte sowie Einkauf zählen und er schreibt in Sonderbeiträgen über Grundsätzliches, wie etwa Anmerkungen zum Garen von Fleisch und über den Aufbau von Gerichten. Diese Beiträge sind in die einzelnen, sehr textreichen Kapitel eingebunden, die da lauten:

Gemüse
Fast nichts- einfach aber genial 
Optimierung und Gerichte die ich immer wieder koche 
Einfache Produkte 
Grenzwertiges 
Sensorik 
Nova Regio 
Neue Konzepte 
Desserts. 

All das, was sich in den Kapiteln verbirgt, kann man leider in einer Rezension nicht zu Sprache bringen. So staune ich zunächst über Dollases "Kollektion von Wirsingzubereitungen" und seine Betrachungen über die Sensorik eines ausgeweiteten Gemüsetellers, freunde mich mit seinen Rosenkohlvariationen an und erkenne, dass Zitronen- und Orangenzesten dem Rosenkohl eine fast sommerliche Frische verleihen. Das lässt dieses Gemüse in völlig neuem Licht erscheinen. Ideal sind die Rosenköhlchen mit Mikro- Croûtons, weil sie das vormalige Bauerngartengemüse königlich erscheinen lassen, aber auch die anderen Varianten sind nicht uninteressant, besonders jene nicht mit kandiertem Ingwer und Datteln. Das ist wirklich weltläufig.

"Der Tafelspitz mit glasierten Karotten" macht das Niveau klar, welches man hier anstreben soll. Das Gericht "Côte de Boeuf, Kartoffeln 'wie aus dem Kartoffelfeuer', Kohlrabicreme mit Rosmarin-Infusion" ist ein vielschichtiges Geschmackserlebnis. Aber auch all die anderen Speisen wie etwa "Pot-au-feu de volaille blanc, Melange von Zitrusfrüchten und seltenen Pfeffern, Rosmarin und Lavendel" oder "Lamm mit Tomatenvariationen, karamellisiertem Fenchel, Schafskäse und zerdrückten Oliven-Kartoffeln" dokumentieren, worum es Dollase geht. 

Spannend zu lesen  ist, was Dollase zur Sensorik zu schreiben weiß und wie er die Theorie in seinem "Sensorischen Ragout von der Tomate" umsetzt. 

Das Buch hat sehr viel zu bieten, ist weit mehr als ein Kochbuch mit warenkundlichem Teil. Es handelt sich um Werk, das die Zeiten überdauern wird, weil es im Grunde ein Kochphilosophiebuch aus den Anfängen des 3. Jahrtausends n. Chr.  ist. 

Die Fotos von Thomas Ruhl runden das wunderbare Werk ab, das man sich nicht entgehen lassen sollte, wenn sich an Nachdenklichkeiten im Bereich kulinarischer Genüsse erfreuen kann und zudem am Herd mit Vorliebe Dinge ausprobiert, die nicht einfach umzusetzen sind.
  
Sehr empfehlenswert.

Helga König

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