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Rezension: Sterne des Südens-Das neue Münchener Küchenwunder- Franz Kotteder- Callwey



Es ist eine halbe Ewigkeit vergangen seit ich das erste Kochbuch las, in dem Sterneköche und deren Kreationen vorstellt wurden. Zwischenzeitlich ist eine neue Generation von Spitzenköchen (m/w) herangewachsen, die seitens Franz Kotteder, der seit 1996 leitender Redakteur bei der Süddeutschen Zeitung in den Rubriken Kultur, Reportagen und Gastronomie ist, im vorliegenden Werk vorgestellt werden. Die tollen Fotos haben Julia und Nikolas, sie nennen sich gemeinsam JUNI, realisiert. 

Das Werk beginnt mit einer Auflistung der fokussierten 20 Restaurants, die auf einem Kartenausschnitt von München, der der Auflistung beigegebenen ist, eingezeichnet sind, damit es keine Orientierungsschwierigkeiten beim Aufsuchen gibt. 

In der Einleitung, die dann folgt, fällt das Auge zunächst auf ein Zitat der Jahrhundertkochs Eckart Witzigmann, das da heißt "Das Produkt ist der Star." Ein bemerkenswertes Zitat, das alle Sterneköche auffordert, sich nicht zu wichtig zu nehmen, sondern stattdessen in erster Linie das Produkt im Auge zu haben, das es zu analysieren und verstehen gilt, um daraus einen göttlichen Gaumenschmaus entwickeln zu können. 

Man liest die Namen, die für das erste "Deutsche Küchenwunder", wie der Gourmetkritiker Wolfram Siebeck es nannte, stehen und das Anfang der 1970er Jahre seinen Anfang nahm. Zwischenzeitlich sei die kulinarische Welt allerdings in Deutschland viel bunter und vielfältiger geworden. Dabei sei die neue "Münchner Schule" nicht so weit entfernt von der älteren Generation wie etwa Witzigmann und dessen Diktum der Konzentration auf das Produkt, das im Mittelpunkt des Geschehens stehen soll.

Porträtiert werden alsdann in Wort und Bild 20 Münchener Sterneköche (m/w) und jeweils zwei ihrer komplexen Kreationen. Sehr gut finde ich die Skizzierung der einzelnen Lebensläufe, der keineswegs nur in Deutschland geborenen Starköche (m/w). 

Dabei blieb beim ersten Studieren des umfangreichen Werks mein Blick bei der sympathischen Köchin Rosina Ostler hängen, die nach ihrem Abitur zunächst einmal Medien- und Kommunikationswissenschaften studierte und dieses Studium abschloss, bevor sie ihrer Leidenschaft, dem Kochen, nachging. Ihre Praktika machte sie in München im Königshof und im Söl´ringshof auf Sylt, bevor sie ihre Kochlehre begann und zwar im Hotel Traube in Tonbach Baiersbronn. Alles vom Feinsten, sprich sehr renommierte Adressen, der weitere folgten... Nun ist die zwischenzeitlich besternte Topköchin Küchenchefin im "Alois" im Hause Dallmayr im München. Ihre im Buch präsentierten Rezepte: "Jakobsmuschel, Rosine Bottarga" und "Kalbsleber, Kürbis, Zimtblüte" werden genau erläutert und zeigen, was es bedeutet, auf einem Niveau zu kochen, das heutzutage mit einem Stern ausgezeichnet wird. Die Messlatte scheint höher als einst zu sein. Hier hilft nicht nur Wissen und Können, sondern es gehört auch eine spezielle, konkret: kulinarische Intelligenz dazu. 

Der Zwei-Sterne-Koch Tohru Nakamura absolvierte seine Kochlehre nach dem Abitur im Münchner Hotel Königshof, arbeitete anschließend bei zwei Drei-Sterne-Köchen und war u.a. in Tokio tätig, bis er schließlich 2021 Küchenchef in der "Schreiberei München" wurde. Die beiden vorgestellten Gerichte von ihm haben japanische Anklänge und beeindrucken durch ihre Schwerelosigkeit. 

Betont neugierig gemacht hat mich der Spitzenkoch Christoph Kunz, der seine Ausbildung im Freiburger Hotel "Colombi" absolvierte und nach bemerkenswerten Stationen 2023 Küchenchef und Inhaber des Restaurants "Komu" in München wurde. Gefallen hat mir sein Gedanke "Ich will eine Küche, die man beim ersten Bissen versteht, bei der aber, wenn man das Gericht ein zweites oder drittes Mal isst, jedes Mal wieder eine neue Nuance entdeckt." Studiert man die beiden beigefügten Rezepte, begreift man, was er meint. Das gilt für "Bonito, Muschel und Küstenkräuter" gleichermaßen wie für den "Gegrillten Paprika, Rote Johannisbeeren und Sherry Essig". Die Zutatenliste und deren Komposition  verdeutlichen, was Kunz meint. 

Dass man im Alter von 24 Jahren bereits einen Michelin-Stern für sein Können erhalten kann, bewies Joshua Leise, zwischenzeitlich hat er drei Sterne und ist noch immer keine 30 Jahre alt. Unglaublich! Seit 2021 ist er alleiniger Küchenchef im "Mural" in München. Die vorgestellten Rezepte lassen erahnen, welches Zusammenspiel zwischen Kopf und Gaumen stattfinden muss, damit solche Kompositionen überhaupt möglich sind. 

Jan Hartwig, ein wenig älter, 1982 geboren, hat sich auch schon 3 Sterne erkocht. Sein Stil sei geprägt von einer klaren Produktküche einerseits und einem vielseitigen Spiel der Aromen, Geschmäcker, Texturen und Temperaturen anderseits. Wer bei ihm den "Pilzflan, Créme fraiche und Bucheckern" oder den "Spanferkelrücken von Besch, Erdartischocke und Périgordtrüffel"  genießt, sollte dies mit einem adäquaten Gegenüber tun, das bereit ist, im Gespräch die Speisen inhaltlich zu erkunden und sich an diesem Abend nur über die Genialität der Speisen  und die Fähigkeiten des Kochs auszutauschen. Loben ist hier ein ehrliches Programm.

Begeistert haben mich die beiden Rezepte von Hannes Reckziegel, der im "Bogenhauser Hof“ Küchenchef ist. Es handelt sich dabei um "Lachsforellen-Sashimi, eingelegter Rettich, Petersiliencreme, Physalis und japanische Vinaigrette" wie zudem " Backe und Kopf vom Kalb, Sellerie aus dem Salzteig. Apfel-Shiso-Salat, Jalapeno-Jus". 

Unmöglich, hier etwas im Rahmen dieser Rezension über alle Sterneköche (m/w) im Buch zu schreiben, aber ein Rezept der einstigen Küchenchefin des Restaurants Schwarzreiter im Hotel Vier Jahreszeiten und derzeitigen Privatköchin Maike Menzel möchte ich nicht unerwähnt lassen, gemeint die "Walnuss-Mandel-Tarte, Sandornsauce, Vollmilchschokoladenmousse, Tonkabohnen Eis", das für den Gaumen Betörung pur bedeutet. 

Was einen Sternkoch (m/w) ausmacht, kann man am Ende des Buches nachlesen, weiß es aber beim Studieren dieses Buches bereits und vergisst es niemals, wenn man das Vergnügen hatte, - wenn auch vor Ewigkeiten-, bei Witzigmann hat speisen zu dürfen. 

Wer am Ende der Welt wohnt, kann die Privatköchin Maike Menzel vielleicht dazu bewegen, mit  ihrem Wissen anzureisen und zu zeigen,  dass  ein Spitzenkoch oder dessen weibliches Pendant letztlich  Kunstschaffende sind.

Ein grandioses Werk, das ein Fest für den Gaumen und für die Fantasie verkörpert.

Sehr informativ. 
Maximal empfehlenswert.

Helga König

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