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Rezension: Vilnius Rezepte, Geschichten und Menschen aus Litauen.- Denise Snieguolé Wachter—at Verlag


Denise Snieguolé Wachter, die Autorin dieses Buches, ist die Genuss- und Kulinarikexpertin des Stern. Für sie ist ihr Buch eine Reise in die Küche ihrer zweiten Heimat, dem Land, wo ihre Mutter aufwuchs und sie als Kind viele Sommer verbrachte. Gedacht ist es als Streifzug durch die abwechslungsreiche Küche der litauischen Hauptstadt Vilnius. Dabei erhebt die Autorin keinen Anspruch auf Vollständigkeit. 

Zunächst lernt man im Rahmen eines historischen Exkurses das baltische Vilnius näher kennen, einer Stadt mit 700 jähriger Geschichte. Napoleon nannte Vilnius einst das "Jerusalem des Nordens", weil hier aufgrund der Religionsfreiheit die Stadt ein Zentrum der jüdischen Kultur und Aufklärung war. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren 40% der Bevölkerung jüdisch. Die Bevölkerung insgesamt setzte sich aus Menschen unterschiedlicher Nationen und Religionen zusammen, war also nicht zugebrettert. 

Nach dem 2. Weltkrieg wurden die baltischen Staaten von Russland annektiert und konnten sich erst 1990 von dessen Vorherrschaft wieder befreien. 

10 interessante Fakten über Vilnius lernt man kennen, auch dass diese Stadt geografisch gesehen die zentralste Metropole Europas ist. 

Dann folgt der Rezeptteil untergliedert in: Kleinigkeiten; Für jeden Tag; Für den Vorrat; Alle an einem Tisch; Aus dem Wald; Alles mit Kartoffeln; Durstlöscher; Süßer Abschluss. Aufgelockert ist dieser Rezeptteil durch spannend zu lesenden Textportraits. 

Viele der Speisen erinnern mich an solche, die meine ostpreußische Großmutter auf den Tisch brachte. Typisch sind: "Mamas gefüllte Eier mit Dill und geräuchertem Schinken" oder auch die "Buchweizenpfannkuchen". Bei den "Kleinigkeiten" gefällt mir das Rezept für "Quarkkäse" besonders. Dazu "Rote-Bete-Chutney" und man ist geschmacklich schon im Baltikum. 

Was man sich nicht entgehen lassen sollte, ist der "Pastrami-Lachs". Wie man diesen zubereitet, wird gut beschrieben. Ihn zu einem festlichen Anlass seinen Gästen zu servieren, kann Auftakt spannender Gespräche sein. 

Die Gerichte für jeden Tag beginnen mit einer "Pinke Suppe". Die roten Beete in der Suppe sind übrigens geraspelt und der Kefir sowie viele andere Produkte sorgen dafür, dass sie geschmacklich weit von "Borscht" entfernt,  eleganter daherkommt. 

Eine beachtliche Anzahl von Rote-Beete-Rezepte folgt. Hervorheben möchte ich die "Gebeizten Makrelen mit Rote-Bete-Birnen-Salat". Für mich ist dieses Rezept die Krönung der Stadt-Rezepte im Buch. 

Rezepte für "Essiggurken", "Marinierte Steinpilze oder Pfifferlinge", "eingelegte Rote Beete" und sonstiges eingelegtes Gemüse machen mit Beilagen vertraut, die nicht mediterran erscheinen, jedoch  genauso köstlich zu warmem oder kaltem Fleisch munden. 

Gelungen auch ist das Kapitel, "Alle an einem Tisch". Es beginnt mit einem überirdisch wohlschmeckendem Gericht mit dem Namen "Kohlrouladen auf Litauische Art", gefolgt von einem Gericht, das nicht minder köstlich ist, genannt "Wirsingrouladen mit Perlgraupen und Steinpilzen". Perlgraupen sind bei uns fast in Vergessenheit geraten. Meine ostpreußische Großmutter nutzte sie als Zutat für Grützwurst. 

Köstliche Teigtaschen werden vorgestellt und ein "Weißer Kartoffelsalat", der eine Art Nationalgericht von Litauen sein soll. Typisch vielleicht ist die "Waldpilzsuppe", die durch Miso allerdings Grenzen überschreitet, um sich weltoffen zu zeigen. 

Eine Fülle von Kartoffelgerichten überzeugt, dass es schwerfällt sich zu entscheiden, für den ersten Versuch. Ich entscheide mich für "Kugelis", einen  Auflauf, den jüdische Einwanderer mit nach Litauen gebracht haben. 

Hervorheben möchte ich die vielen Getränke, - leckere anti-alkoholische -, wie etwa den Sommersaft "Slyvos" mit Reineclauden, Birkensaft und anderem mehr. Birkensaft assoziiert man bei uns in westlicheren Regionen eher als Bestandteil von  Haarpflegemittel, vielleicht, weil es zu wenig Birken gibt, die man anzapfen kann... 

Alles endet mit Süßem, am typischsten vielleicht die "Napoleon-Torte", die für die Litauer so etwas ist, wie für uns die "Schwarzwälder Kirschtorte", ein kulinarisches Heiligtum. 

Vorgestellt werden zudem u.a., gute Restaurants in Vilnius, auch ein Whisky-Geschäft und der älteste als auch der jüngste Markt der Stadt. Alles ist gut beschrieben und macht genauso neugierig wie die vielen imposanten Fotos. 

Diese Stadt lebt, zeigt sich modern, auch was die Küche anbelangt, vergisst dabei nicht die Vergangenheit und überzeugt vor allem  durch Weltoffenheit. 

Ein tolles Buch. 

Maximal empfehlenswert.

Helga König

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