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Rezension:Risotto: 120 Rezepte (Broschiert)

"Risotto" unterscheidet sich von den meisten Kochbüchern dadurch, dass es völlig auf Fotos verzichtet. Ein wenig erinnert es an die handgeschriebenen Rezeptbücher vergangener Zeiten. Kochinteressierte müssen sich intensiv mit dem Text beschäftigen, denn sie werden allein durch diesen inspiriert. Vorstellungskraft ist gefragt. Wie wunderbar. Verfasst worden ist das Buch von Oliver Hoffinger, dem Inhaber des mit zwei Hauben ausgezeichneten Restaurants "Kochwerkstatt" und der Ernährungsberaterin Monika Kellermann.
Edle Rezepte beigesteuert haben die Spitzenköche Volker Eisenmann, "Gourmetrestaurant Käfer-Schänke" in München, Sven Elverfeld, "Restaurant Aqua im Hotel The Ritz-Carlton Wolfsburg" in Wolfsburg, Christian Jürgens , "Gourmetrestaurant Überfahrt des Seehotel Überfahrt" in Rottach-Egern, Thomas Kammeier, "Hugos Restaurant im Hotel Intercontinental Berlin" in Berlin, Kolja Kleeberg, "Restaurant VAU" in Berlin und Harald Rüssel, "Landhaus St. Urban" in Naurath/ Wald. 120 Rezepte warten darauf nachgekocht zu werden. Alle sind bestens beschrieben. Monika Kellermann offeriert in der Einführung eine Vielzahl allgemeiner Informationen zum Thema Reis bzw. Risotto.


Darüber wie der Reis nach Italien gelangt ist gibt es unterschiedliche Theorien. In Venedig bevorzugt man die Version, dass venezianische Handelfahrer den Reis von den Levante-Fahrten mitgebracht haben. Die Entwicklung des gezielten Reisanbaus setzte aber erst im 15. Jahrhundert ein, nachdem die mittelalterlichen Pestepedemien und Hungersnöte weite Teile Europas verwüstet hatten. Die Zisterziensermönche des Klosters Lucedio in der Nähe von Trino Vercellece entdeckten rasch, dass in der wasserreichen Po-Ebene günstige Bedingungen für die Reispflanzen vorlagen und sie dort sehr gut wuchsen. Im 19. Jahrhundert begann man in der Po-Ebene mit dem Reisanbau im großen Stil, weil sich alsbald abzeichnete, dass im Reishandel ein bedeutendes wirtschaftliches Potential für die nicht gerade reiche Region lag.


Im 20. Jahrhundert war der Reisanbau so weit perfektioniert, dass Italien uneinholbar an der Spitze der europäischen Erzeuger stand. Der neorealistische Film "Riso amaro" (Bitterer Reis) von 1949 zeichnet ein unschönes Bild der Bedingungen für die Saisonarbeiter auf den Reisfeldern der Po-Ebene: Die "mondine" standen Tag für Tag zehn bis zwölf Stunden barfuss und gebückt im kalten Wasser des Feldes, setzten Pflanzen und zupften Unkraut. Sie waren nicht nur der sengenden Sonne, den Blutekeln und den Mücken ausgesetzt, sondern häufig auch der Willkür und schlechten Behandlung durch die Vorarbeiter. Mittlerweile ist der Reisanbau weitgehend mechanisiert.


In Italien wird hauptsächlich Reis der Züchtung "Oryza sativa japonica" angebaut, der beim Kochen einen bissfesten Kern behält. Italienscher Reis wird vom staatlichen Reisinstitut überwacht. Es überprüft regelmäßig die Qualität, den hygienischen Zustand und die Nährstoffzusammensetzungen der verschiedenen Sorten.
Da Reisgerichte unterschiedliche Anforderungen an die Konsistenz und das Kochverhalten der Reisart stellen können, widmen norditalienische Köche der Reisauswahl große Aufmerksamkeit. Sorten mit halbhartem Korn wie Aborio, Carnaroli und Vialone haben große Körner mit einem hohen Stärkeanteil. Sie bleiben feucht und saftig und eignen sich daher besonders für Risotto. Die Zubereitung von Risotto ist eine Kunst für sich. Kellermann beweist im Rahmen von 2 Varianten, wie man innerhalb von jeweils 6 Schritten problemlos Risotto zubereiten kann.


Im Rezeptteil lernt man zunächst Grundrezepte für Fonds herzustellen. Dann erfolgt die Fülle unterschiedlicher Rezepte, die alle sehr gut erklärt sind. "Risotto mit Gorgonzola" lässt sich einfach zubereiten, simpel auch ist das Herstellen von "Risotto mit Pinienkernen, Ricotta und Petersilie". Interessant wird es, wenn die Spitzenköche mit ihren Rezepten aufwarten. Thomas Kammeiers Rezept "Buddhas hauch- geräucherter Risotto mit Sobrassada und Nizza-Oliven" fordert meinen Ehrgeiz heraus. Man muss dieses Rezept erst mal lesen, darüber nachdenken, abermals lesen, einkaufen und sollte dann behutsam zur Tat schreiten.


Überhaupt muss man das Gelesene im Kopf zunächst wirken lassen. Man muss sich vorstellen, was man anschließend kocht. Zutaten zusammenrühren führt in der Regel zu unerquicklichen Ergebnissen.
Der 3 Sterne-Koch Sven Elberfeld stellt sein Rezept "Wolfsbarsch auf Risotto vom Radicchio de Treviso mit Wildkräutersalat" vor. Dieses Rezept ist hochkompliziert und erfordert absolute Konzentration. Ein wohlwollender Tischpartner verleiht gewiss gerne 3 Sterne, auch wenn sie nicht mit denen des Michelin gleichzusetzen sind.


Gefallen hat mir das "Pfahlmuschelrisotto" von Harald Rüssel. Deshalb habe ich es auch am Wochenende nachgekocht. Das Niveau von Rüssels Schöpfung hat meine Kreation sicher nicht gehabt - es war halt ein erster Versuch- aber dieser war erstaunlich delikat. Immerhin. Vielleicht hätte ich die Butter in den Gefrierschrank legen sollen, bevor ich sie in die Sauce montierte, um die Sache perfekt zu gestalten. Meister fallen halt nicht vom Himmel...


Fast hätte ich es vergessen. "Risotto Dolce" kann man auch kennenlernen. "Bratapfel-Vanille-Risotto mit weißem Zimtschaum" bedarf nicht zwingend einer Vor- und Hauptspeise, oder was meinen Sie?

Risotto- Liebhaber werden das Buch zu schätzen wissen. Es ist nämlich wirklich klasse.