Dieses Blog durchsuchen

Rezension: Küchenklassiker: neu interpretiert (Gebundene Ausgabe)

Wussten Sie, dass der "Wiener Apfelstrudel" eine Kreation der alten Griechen ist?,

Der Spitzenkoch Hubert Obendorfer betreibt seit über 12 Jahren das Landhotel Birkenhof in Neunburg vorm Wald. Sein Gourmetrestaurant "Eisvogel" wurde mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet. Obendorfer lotet zu Beginn seines Buches den Begriff "Küchenklassiker" aus und verdeutlicht, dass dies Klassiker, wie auch klassische Garnituren und Zubereitungen in ihren Grundzutaten klar definiert sind. Dabei reicht alleine die Bezeichnung aus, um zu wissen, welches Gericht das ist und wie es gekocht werden muss. Die Bezeichnungen haben sich über Jahrzehnte- wenn nicht gar über Jahrhunderte- hinweg weitgehend unverändert in den Speisekarten und Kochbüchern erhalten.

Die rund 60 Rezepte für Vorspeisen, Suppen, Zwischengänge, Hauptgänge und Desserts sind untergliedert in: internationale Klassiker, deutsche Klassiker, moderne Klassiker und Obendorfers Klassiker. Alle Rezepte sind sehr gut erklärt und lassen sich problemlos zubereiten. Das Kochergebnis wird dem Leser stets visuell nahegebracht, so dass man eine Vorstellung davon erhält, wie man die Speisen hübsch anrichten kann. Das klassische Moment bleibt bei allen Kreationen erhalten. Die Interpretation der Gerichte seitens Obendorfer macht alle Gerichten durch Zugabe ausgewählter delikater Ingredienzien eine Spur raffinierter und damit letztlich interessanter.

Bei den meisten Klassiker (aber nicht bei allen !!) werden im Rahmen von kurzweiligen Texten die historischen Ursprünge erläutert: So erfährt man Näheres über das Entstehen der internationalen Klassiker von: Graved Lachs, Spargelchartreuse, Risotto alla milanese, Pot-au-feu, Hummer Thermidor, Garnitur Doria, Ente à l`orange, Wiener Tafelspitz, Cordon bleu, Filet Wellington, Rinderfilet Strindberg, Tournedos á la Rossini, Wiener Apelstrudel, Birne Helen, Kaiserschmarren, Savarin; der deutschen Klassiker: Matjes, Leipziger Allerlei, Kalbsleber Berliner Art, Rheinischer Sauerbraten, Schnitzel Holstein, Rehrücken Baden-Baden, Hasenpfeffer, Garnitur Jäger Art, Schwarzwälder Kirschtorte; der modernen Klassiker: Kaviar, Vitello tonnato, Terrine, Mockturtlesoup á la Lady Curzon, Minestrone, Jakobsmuscheln, Ballotine, Cassoulet, Garnitur Florentiner Art, Rostbraten Esterházy, Seezunge Marguery, Garnitur Winzerin Art, Saltimbocca, Garnitur Straßburger Art, Sachertorte; sowie der Oberndorfer Klassiker: Austern, Hummer und Mousse, Caprese, Ragout fin und Königinpastete, Pastete, Blumenkohl á la Dubarry, Roastbeef, Borschtsch, Essenz, Ochsenschwanzragout, Seezunge Colbert, Huhn Marengo, Sauce Robert, Szegediner Gulasch und Eisbombe.

Wussten Sie, dass das erste schriftliche Rezept für "Leipziger Allerlei" im " Leipziger Kochbuch" (1706) der Köchin Susanne Eger (1640-1713) befindet? In diese Speise gehörten schon damals Möhren, Erbsen, Kohlrabi, Spargel, Blumenkohl, Morcheln und Krebse. Die Rezeptur wird vollendet durch eine weiße Krebsbuttersauce und Semmelklöße. Um diesen Frühlingsklassiker sollen sich Legenden ranken. Angeblich soll das Rezept aus dem fernen China kommen. Missionare haben es offenbar mit nach Sachsen gebracht. Dort wurden die exotischen Gemüsesorten durch einheimische aus den Schrebergärten ersetzt. Morcheln und Krebse gab es einst reichlich in Sachsen, so dass sie problemlos in diesen Gaumenschmaus eingebaut werden konnten. Nach einer anderen Legende sollen sie listigen Sachsen das Gericht erfunden haben, um die Steuereintreiber zu täuschen, indem sie ihnen demonstrierten, dass das Geld nur für Gemüse und aber nicht für Fleisch auf dem Teller reicht. Übrigens bleibt Obendorfer bei seiner Interpretation des Gerichts ganz nah am Original, verwendet auch Morcheln und Krebse und reicht als Beilage ein Stück Zander dazu.

Die Geschichten zu den köstlichen Gerichten sind alle sehr spannend zu lesen. " Hummer Thermidor" gab es als Luxusgericht auch auf dem legendären Kreuzfahrtschiff Titanic, dort soll man diese Köstlichkeit 1912 am Tage des Untergangs von Herzoginnenkartoffeln umrahmt serviert haben...

Empfehlenswert, weil die Gesamtkonzeption stimmt und man als interessierter Leser und Hobbykoch in jeder Beziehung zufriedengestellt wird. Großes Lob.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen